[Blog] Wohin ich laufe.

Wer kennt ihn nicht, den allseits beliebten Gag. „Du läufst so viel. Vor was läufst du denn überhaupt davon?“ Brüller. Ehrliche Antwort: Das willst du gar nicht wissen. Die von mir ausgesprochene, alternative, aber auch nicht weniger ehrliche Antwort: Ich laufe auf etwas zu. Auf Ziele. Auf Bestzeiten. Auf Dinge, die vor mir liegen. Und an Orte, die mich an die Grenze bringen. 

Daniel und Adrian in Pohlheim

Natürlich ist das Laufen irgendwo auch ein Stück Selbsttherapie. Selten wurden mir meine Stärken und meine Schwächen so gnadenlos vorgehalten wie bei einem dreistündigen Longrun. Das betrifft sicherlich das Körperliche – aber nicht ausschließlich. Wer viel läuft, der hat auch viel Zeit zum Denken. Wobei viel ja bekanntermaßen relativ ist. Und so wird das Laufen auch eine Zeit der Selbstreflexion. Die Entscheidung, meinen Job zu wechseln, fiel letzten Endes beim Laufen. Nahezu jede mutige, wegweisende Entscheidung, der letzten Jahre, wurde beim Laufen final abgenickt. Der Weg ist setzt das Ziel.

Ich laufe jetzt seit drei Jahren. Bin schon fast an dem Punkt, wo man der Einfachheit halber auf vier Jahre aufrundet. Ich bin Volksläufe gelaufen. Ich bin Marathons gelaufen. Ich bin einen Ultramarathon gelaufen. Doch wenn ich gefragt werde, wann ich denn mein Ziel – meine Grenzen – erreicht habe, bin ich überfragt. Ich weiß es nicht. Nach dem ich dieses Jahr zwei Marathons mit der Gier nach Bestzeiten gelaufen bin und meine gesetzten Ziele alles in allem absolut übertroffen habe, dachte ich mir: Bald bin ich dem Ziel nahe. Doch mit den Erfolgen ist es so eine Sache. Dort, wo Bestzeiten gesprengt werden, wo Messlatten verschoben werden, da wächst nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern in erster Linie der Größenwahn. Zumindest bei mir. Schnell ist der nächste reizvolle Lauf gefunden. Schnell ist die Ausschreibung für einen 100km Wettkampf gelesen. Schnell ist Trainingsplan für den drei Stunden Marathon geweckt. Und schnell ist die Lust geweckt, irgendetwas Dummes zu tun. Etwas Dummes, das den eigenen Horizont erweitert. Teils drastisch.  

Doch zum Laufen gehören nicht nur Erfolge. Ich bin kein sonderlich guter Athlet. Dennoch fielen mir meine Erfolge fast schon in den Schoß. Natürlich habe ich dafür trainiert. Aber der Weg von Wettkampf zu Wettkampf bedeutete für mich auch immer der Weg von Bestzeit zu Bestzeit. Ich war nüchtern betrachtet ein wenig erfolgsverwöhnt. Zumindest im Rahmen meiner Verhältnisse. Als ich dann beim Köln Marathon 2017 meinen ersten, echten Rückschlag erlebte, war das für mich erschütternd. Ein Ziel nicht zu erreichen – einen Wettkampf nicht mit einer neuen Bestzeit zu beenden? Ausgeschlossen. Bis dahin. Magenkrämpfe und zu viel Übermut zur falschen Zeit ließen mich den Marathon mit etwas über 03:26 beenden. Sechs Minuten langsamer als mein selbstgestecktes Ziel. Fast zehn Minuten langsamer als der Kurs, auf dem ich mich bis zum erbitterten Einbruch befunden habe. Für manche dennoch eine richtig gute Zeit. Für manche eine richtig schlechte Zeit. Für mich einfach eine richtig unbefriedigende Zeit – und der erste Punkt, an dem mir laute Zweifel am Laufen und mir selbst kamen. Ich habe meine eigene Leistung in Frage gestellt. Und ich habe mich gefragt, ob ich vielleicht doch an meine Grenze gestoßen bin. 

 

Mein Läuferhirn ist diesbezüglich sehr dumm. Habe ich ein Erfolgserlebnis lechze ich geradezu nach dem Nächsten und kann kaum die Füße stillhalten. Scheitere ich, verweile ich in Frustration anstatt mir das nächste, motivierende Ziel zu setzen. Dabei wäre es so einfach. Mund abwischen. Weiter machen. Der Klassiker. 

Nachhaltig finde ich diese Phase sehr beeindruckend. Intensiv macht sie mir bewusst, wie Nahe Glück und Frustration beieinander liegen. Wie beflügelnd die Jagd nach Zielen und Bestzeiten sein kann. Und wie hart die Erdung sein kann. Natürlich ist hier jedem eine Ausgeglichenheit anzuraten. Aber so funktioniert das leider nicht. So funktioniere ich nicht. 

Und natürlich gab es das dann irgendwann doch: Das nächste Ziel. Eine bessere Vorbereitung. Strukturierter. Fokussierter. Die ehrliche Erkenntnis: Wäre der Köln Marathon nicht so gelaufen, wie er eben lief, hätte ich mein Sportprogramm vermutlich nie einem Trainer unterworfen. Und ich wäre vielleicht niemals so schnell wie heute. Und so groß die Enttäuschung nach dem Köln Marathon war, so gestärkt stehe ich heute da. Heute ist die Erkenntnis groß. Rückschläge gehören zum Fortschritt dazu und manchmal muss man einen Schritt zurück gehen, um zwei – besser drei – Schritte vor zu gehen. Das weiß jeder. Nur das zu akzeptieren, fällt schwer. 

Der Abschluss dieser Saison gehört wieder voll und ganz dem Übermut. Mit zwei neuen Marathonbestzeiten kann man schon mal aus der Saison raus gehen. Der Eifer und die Arbeit haben sich ausgezahlt und zum ersten Mal seit neun Monaten gönne ich mir eine Pause vom strukturierten Training. Das Baby namens Laufsaison 2018 ist gesund und munter zu Welt gekommen und eine erneute Schwangerschaft durch Lauflust steht sicherlich kurz bevor. Denn, natürlich sind die schon die ersten großen Pläne für 2019 gesteckt. Natürlich müssen auch dann wieder Grenzen verschoben werden. Natürlich will ich mich wieder selbst herausfordern. Und natürlich muss ich mir große Ziele setzen. 

Auf dass ich mein Ziel niemals erreiche.
Daniel 


Das ist der zweite Blogbeitrag bei LaufenLiebeErdnussbutter. Wir würden gerne wissen: Gefällt euch die Erweiterung der Homepage um einen Blog? Lasst uns wissen und schreibt uns ein kleines Feedback. Gerne hier im Blog als Kommentar, via Mail oder im Social Media.

8 Antworten auf „[Blog] Wohin ich laufe.“

  1. Auf jeden Fall weitermachen mit dem Blog! Tolle Ergänzung zum genialen Podcast! Super kurzweilig zu lesen und kommt punktgenau an ?
    Danke für die Arbeit die ihr sowohl in den Blog als auch den Podcast steckt!

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