Alle melden Rodgau. Keiner läuft mit. Zumindest konnte man eben genau diesen Eindruck gewinnen, wenn man sich im Vorfeld des Rodgau50 in den Sozialen Netzwerken verlor. Gut. Keiner ist wahrlich übertrieben, denn da gab es durchaus noch die Ludwigs dieser Welt, die sich tapfer auf die retardierenden 10 mal 5km begaben. Dennoch ließ sich in den Wochen vor dem Wettkampf in Rodgau ein gewisser Trend erkennen. Während Ende 2018 noch – begleitet von euphorischen Beigeisterungsstürmen – die Anmeldeformulare in Scharen durchs Netz geschickt wurden, entstand zu Jahrsbeginn der Trend zur Neuverletzung – und somit zum Canceln des Projekts Rodgau50. So auch bei mir.
[Blog] Wohin ich laufe.
Wer kennt ihn nicht, den allseits beliebten Gag. „Du läufst so viel. Vor was läufst du denn überhaupt davon?“ Brüller. Ehrliche Antwort: Das willst du gar nicht wissen. Die von mir ausgesprochene, alternative, aber auch nicht weniger ehrliche Antwort: Ich laufe auf etwas zu. Auf Ziele. Auf Bestzeiten. Auf Dinge, die vor mir liegen. Und an Orte, die mich an die Grenze bringen.
Natürlich ist das Laufen irgendwo auch ein Stück Selbsttherapie. Selten wurden mir meine Stärken und meine Schwächen so gnadenlos vorgehalten wie bei einem dreistündigen Longrun. Das betrifft sicherlich das Körperliche – aber nicht ausschließlich. Wer viel läuft, der hat auch viel Zeit zum Denken. Wobei viel ja bekanntermaßen relativ ist. Und so wird das Laufen auch eine Zeit der Selbstreflexion. Die Entscheidung, meinen Job zu wechseln, fiel letzten Endes beim Laufen. Nahezu jede mutige, wegweisende Entscheidung, der letzten Jahre, wurde beim Laufen final abgenickt. Der Weg ist setzt das Ziel.
[Blog] Ich bin politisch.
Laufen bleibt Laufen – Politik bleibt Politik.
So (oder so ähnlich, Anm.) scheint bei Zeiten das Feedback der kleinen, aber sonst so stillen Internetläuferschaft zu sein, die in jeder Form der politischen – oder schlimmstenfalls antirassistischen – Äußerung eine weitgreifende und furchtbare [!sic] Politisierung ihres Laufsports sehen. Doch keine Angst liebes Läuferlein. Ein antirassistisches Statement sollte deinen geschmeidigen Trailrun nicht in Gefahr bringen und ein Erdnussbutterglas mit durchgestrichenem Hakenkreuz ist auch noch lange kein Ausruf des Kommunismus.
Der Social Media-Stream der Internetläuferschaft scheint sich derzeit in zwei Hälften zu spalten. Zur Linken ein aufmerksames Häufchen, das politisch interessiert ist und sich in Zeiten, in der ein Rechtsruck in unserer Gesellschaft so spürbar ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr, sich gerne und laut äußerst. Manchmal ein wenig zu laut. Manchmal ein wenig übers Ziel hinweg. Aber stets mit offenem Gemüt. Und zur Rechten eine scheinbar etwas zu cholerische Front, die sich bei jedem geteilten #FCKAFD-Tweet vor dem Verlust ihres ach so unpolitischen Laufsports fürchtet.